Wer den Aargau bisher lediglich als Durchfahrtskanton wahrgenommen hat, muss bloss noch dazu bewegt werden, einen Zwischenhalt einzulegen. Die abwechslungsreichen Wanderwege führen durch offene Flusstäler, über sanfte Hügel des Mittellandes und auf aussichtsreiche Jurahöhen. Dynamik und Erholung sind Aargauer Qualitäten. Horst Sager und sein Team der Geschäftsstelle Aargauer Wanderwege sorgen mit vielen Freiwilligen für eine sichere Wanderung.
Welches sind die beliebtesten Wandergebiete im Aargau?
Horst Sager: Der Aargau ist sehr vielseitig: Einerseits bieten Aare, Limmat, Rhein und Reuss mit ihren Auenlandschaften spektakuläre Flusswanderungen oder auf den Juraketten verlaufen leichte bis anspruchsvolle Wanderpfade bis hin zum äusserst anspruchsvollen Lägerngratweg, tolle Aussichten inklusive. Andererseits bieten die gegen Süden verlaufenden Seitentäler mit den Aussichtstürmen Homberg Hochwacht, Esterliturm, Hasenberg und Maiengrün fantastische Weitblicke bis in die Alpen, aber auch auf Hallwiler-, Baldegger- und Sempachersee, oder eine Kulturtour mit Schlössern und Burgen zwischen Wildegg und Brugg. Weiter gibt es noch das Fricktal mit seinem Höhenweg zwischen Rheinfelden und Mettau mit dem Sunnenberg- und Cheisacherturm zu erwähnen oder für die, welche gerne nach etwas Action suchen, sei der Seeuferweg rund um den Hallwilersee an einem sonnigen Sonntagnachmittag empfohlen.
Im Wanderwegnetz steckt viel Arbeit. Wie wird das Wanderwegnetz mit den Signalisationen unterhalten?
Wir von den Aargauer Wanderwegen sind im ganzen Kanton Aargau für die Signalisation der Wanderwege zuständig. Unsere rund 85 Freiwilligen machen sich zweimal jährlich auf ihre zugeteilten Wegabschnitte und kontrollieren die Wege und die Signalisation. Sie reinigen Wegweiser, frischen die Markierungen mit Farbe auf, ersetzen beschädigte Signalisationen und schneiden die Vegetation zurück, damit immer alles gut sichtbar und passierbar ist. Allenfalls müssen sie nach Unwetterereignissen noch zusätzliche Kontroll- und Instandstellungstouren einlegen. Unsere Helfer leisten dabei Jahr für Jahr etwa 3’000 Stunden Freiwilligenarbeit.
Was beinhaltet die Betreuung von 1650 km Wanderwege noch weiter?
Neben der Signalisation müssen auch die Wege in einem ordentlichen Zustand sein. Bei Wegen, die ausschliesslich dem Wandern dienen, werden die minimal nötigen Unterhaltsarbeiten durch unseren Verein im Auftrag des Kantons vorgenommen. Bei allen anderen Wegen sind in der Regel die Gemeinden oder die Wegeigentümer für den Unterhalt zuständig. Für unseren Teil des Wegunterhalts ist unser Werkmeister Peter Müller zuständig. In einzelnen Fällen steht ihm auch die Baugruppe bestehend aus 6 freiwilligen Helfern, die er je nach Bedarf aufbieten kann, zur Seite. Neben dem Instandstellen der Wege gehört auch das Ausmähen, das Entfernen des Laubes an gewissen Stellen und das Freischneiden der Wege zu seinem Aufgabengebiet. Wichtig und deshalb an dieser Stelle erwähnenswert ist, dass Wanderwege aber das geringste Anforderungsniveau haben und betreffend Benutzung die Eigenverantwortung gilt.
Weiter gehören auch die Planungsaufgaben zur Betreuung. Damit die Wanderwege immer sicher und durchgehend begehbar sind, achten wir bei Bauvorhaben und Planungsprojekten darauf, dass die Wanderwege angemessen berücksichtigt werden und bei Bedarf für gleichwertigen Ersatz gesorgt wird. Zudem sorgen wir auch dafür, dass bei Bauten, die einen Wanderweg tangieren, lokale Umgehungen angeboten werden. Diese Umleitungen werden dann auf der zentralen Website von schweizmobil.ch aufgeschaltet, damit sich die Wandernden bereits vor dem Start über allfällige Behinderungen informieren können.
Sie arbeiten mit 85 freiwilligen Helferinnen und Helfern zusammen. Wie wird man freiwilliger Helfer, und welche Aufgaben übernimmt man damit?
Meistens melden sich Interessierte bei uns und fragen nach, ob sie eine Aufgabe bei uns übernehmen können. Unsere rund 85 freiwilligen Helfer betreuen ihre fest zugeteilten Wanderwegabschnitte. Dazu gehören zwei Kontrollgänge pro Jahr, bei denen sie den Zustand der Signalisation prüfen, defekte oder weggefallene Markierungen ergänzen, reinigen oder frisch anmalen.
96 Prozent der Menschen in der Schweiz kennen die gelben Wegweiser. Für die meisten Wanderer sind Wegweiser und Markierungen trotz digitaler Navigationsmöglichkeiten immer noch mit Abstand die wichtigsten Orientierungshilfen unterwegs. An was liegt das?
Im heute oft stressigen und digital geprägten Umfeld suchen viele nach einer Alternative, die sie im Wandern finden. Gerade deshalb will man dabei nicht auch noch auf den Bildschirm des Alltagshelden starren, sondern die Landschaft wahrnehmen und geniessen können und sich dabei von den gelben Schildern leiten lassen. Ein Qualitätsziel der Schweizer Wanderwege ist die zuverlässige, einheitliche und flächendeckende Signalisation der Wanderwege. Wir von den Aargauer Wanderwegen tragen mit unserer Arbeit dazu bei, dass sich die Wandernden an den Wegweisern und Markierungen orientieren können und sich dabei sicher und aufgehoben fühlen.
Wandern ist ein Lifetimesport für jedermann und jede Frau geworden. Oder wie würden Sie die Entwicklung des Wanderns in der heutigen Gesellschaft einordnen?
In den letzten Jahren hat das Wandern die Gunst aller gewonnen. Gemäss den letzten Umfragen der Schweizer Wanderwege hat die Anzahl der Wandernden in der Schweiz um mehr als 12 Prozentpunkte zugenommen – inzwischen sind etwa 57 Prozent der Schweizer zu Fuss unterwegs. Einen speziellen und auch überraschenden Anstieg gab es bei den 15- bis 29-jährigen. Dies kann auch im Zusammenhang mit den sozialen Medien stehen. Dass Wandern als Lifestyle bezeichnet wird, hat auch damit zu tun, dass Wandern in den unterschiedlichsten Formen möglich ist: Alleine, zu zweit; in kleinen oder grossen Gruppen; als Tages- oder mehrtägige Wanderung, als Genuss- oder Kulturwanderung, als Nacht- oder Winterwanderung oder aber auch im Rahmen einer durch ausgebildete Wanderleitende begleitete Wanderung, so wie wir jährlich gut 40 davon anbieten.
Die sechs Highlight-Wanderungen 2023 sind in Zusammenarbeit mit der Abteilung Wald von der kantonalen Verwaltung sowie anderen Fachpersonen entstanden und widmen sich dem Thema Wald in besonderer Weise. Welche Idee steckt dahinter?
Jedes Jahr widmet sich eine Serie von sogenannten Highlight-Wanderungen einem speziellen Thema. Dieses Jahr ist es der Wald. In Zusammenarbeit mit Experten und Expertinnen der Abteilung Wald im Departement Bau, Verkehr und Umwelt (BVU) entstanden insgesamt sechs geführte Wanderungen durch faszinierende und ursprünglich anmutende Naturlandschaften. Neben Naturwaldreservaten und Altholzinseln, in welchen für mindestens 50 Jahren auf die Holznutzung verzichtet wird und natürliche Prozesse – wie in einem Urwald – ungestört ablaufen können, wird der Wald als Erholungsraum für alle gezeigt. Oder es geht mit dem Wildhüter und einer Biologin auf Pirsch nach nächtlichen Jägern. Weiter wird das soziale Netzwerk der Pilze bestaunt und zu guter Letzt sind noch die Märchen und Sagen an der Reihe. Mit den Highlight-Wanderungen will man einer breiten Öffentlichkeit ein aktuelles und spannendes Thema näherbringen. Für das nächste Jahr ist das Thema Boden in Vorbereitung.
Was wünschen Sie sich für die Aargauer Wanderwege für die Zukunft?
Wandern tut Körper, Geist und Seele gut. Wandern verspricht Natur- und Landschaftsgenuss, Erholung und Entspannung, Gesundheit und Fitness. Es vermittelt Nähe, Heimat, und drosselt das rasende Zeitmass aufs Schritttempo. Mit diesem Gegenrezept zur alltäglichen Hektik sollten wir gemeinsam gut durchs Leben kommen.
Interview: Corinne Remund
Die Aargauer Wanderwege sind die anerkannte kantonale Fachorganisation für Wanderwege und das Wandern im Aargau. Sie betreuen rund 1’650 km Wanderwege und übernehmen Planung, Signalisation und den teilweisen Unterhalt des aargauischen Wanderwegnetzes in Absprache mit dem Departement Bau, Verkehr und Umwelt des Kantons Aargau. Gegründet 1935, organisiert als gemeinnütziger Verein mit rund 2’600 Mitgliedern, sind die Aargauer Wanderwege Aktivmitglied des Dachverbands Schweizer Wanderwege.